Deeskalationstraining – Details und Hintergründe 

Seminare zur Sicherheit am Arbeitsplatz
Gewaltiges Thema: Bedrohungen an Arbeitsplätzen mit Kundenkontakt

„Der Kunde ist König!“ – dieser Leitsatz prägt das moderne Dienstleistungsverständnis. Doch was passiert, wenn sich der Kunde alles andere als königlich verhält? Wenn er laut, bedrohlich oder sogar aggressiv wird? Unser Beitrag zeigt auf, wie Arbeitgeber ihre Mitarbeiter im Arbeitsalltag vor Gewalt schützen können.

Was verstehen wir unter Gewalt?

Gewalt ist allgegenwärtig in den Medien und jeder verbindet sofort konkrete Bilder damit: Drohungen, lautes Schreien, körperliche Übergriffe bis hin zu Waffengewalt. Doch Gewalt am Arbeitsplatz umfasst weit mehr.

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) definiert Gewalt am Arbeitsplatz als „jede Handlung, Begebenheit oder von angemessenem Benehmen abweichendes Verhalten, wodurch eine Person im Verlauf oder in direkter Folge ihrer Arbeit schwer beleidigt, bedroht oder verletzt wird.“

Während körperliche Verletzungen leicht erkennbar sind, hinterlassen verbale oder nonverbale Angriffe oft unsichtbare Spuren – seelische Verletzungen. Anders als körperliche Wunden, die sichtbar heilen, bleiben die emotionalen Folgen häufig verborgen. Schnell wird daraus der Vorwurf: „Wenn du das nicht aushältst, bist du in diesem Beruf fehl am Platz.“ Doch bei psychischer Gewalt ist niemand auf sich allein gestellt.

Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet Arbeitgeber, die Arbeitsbedingungen zu bewerten und notwendige Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten zu ergreifen (§§ 3, 4, 5 ArbSchG). Seit 2013 werden explizit auch psychische Belastungen im Gesetz genannt. Wer sich also mit Gewalt an Arbeitsplätzen im Kundenkontakt beschäftigt, verbessert nicht nur das Betriebsklima, sondern erfüllt auch eine gesetzliche Pflicht.

Folgen von Gewalt

Gewalt, egal ob im Beruf oder Privatleben, hat schwerwiegende Auswirkungen. Akute Stressreaktionen wie Hilflosigkeit, Unsicherheit, Überforderung, Verzweiflung oder Rückzug sind völlig normale Reaktionen auf ein traumatisches Ereignis. Diese können Stunden oder Tage anhalten. Bleiben diese Reaktionen jedoch über einen längeren Zeitraum bestehen oder verschlimmern sich sogar, können die Betroffenen die Geschehnisse nicht adäquat verarbeiten und es droht eine ernsthafte Erkrankung.

Depressionen, Angststörungen und sogar Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) mit Flashbacks, Schlafstörungen und ständiger Anspannung sind mögliche Folgen. Für den Betrieb bedeutet dies oft steigende Ausfallzeiten, Leistungseinbußen, Mehrbelastung der Kollegen und ein zunehmend schlechtes Betriebsklima.

Prävention ist der Schlüssel

Deeskalationstrainings und Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter sollten in keinem Unternehmen fehlen. Sie stärken das Sicherheitsempfinden und sorgen dafür, dass sich Beschäftigte sicher und wertgeschätzt fühlen – ein unverzichtbarer Baustein für eine gesunde und produktive Arbeitsumgebung

Gewaltpräventionsseminar der UKH: Sicherheit in kommunalen Einrichtungen stärken

Um Gewalt und ihren Folgen frühzeitig vorzubeugen, bietet die Unfallkasse Hessen (UKH) Seminare zur Gewaltprävention an. Im November 2017 wurde das dreitägige Seminar „Gewaltprävention in kommunalen Einrichtungen – ein ganzheitlicher Ansatz“ erstmalig durchgeführt. Hier standen die Wechselwirkungen zwischen Arbeitsplatz, Mitarbeitenden und Kunden im Fokus, um gezielt präventive Maßnahmen zu entwickeln.

Ziel des Seminars
Die Teilnehmer*innen wurden befähigt, in ihrer Verwaltung Gewaltpräventionsmaßnahmen voranzutreiben. Das Seminar vermittelte zentrale Inhalte wie das Aachener Modell, das Bedrohungsmanagement „Face to Face“ und das Ableiten spezifischer Präventionsstrategien.

Das Aachener Modell

Das Aachener Modell, entwickelt durch die Zusammenarbeit der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen und dem Polizeipräsidium Aachen, bietet einen strukturierten Ansatz zur Gefährdungsbeurteilung an Arbeitsplätzen mit Kundenkontakt.

Schritt 1: Verantwortung im Arbeitsschutz
Zu Beginn des Modells steht die Festlegung der Verantwortung im Arbeitsschutz. Danach erfolgt eine detaillierte Gefährdungsanalyse für konkrete Arbeitsplätze anhand eigener Praxisbeispiele.

Schritt 2: Einordnung in Gefährdungsstufen
Das Ergebnis dieser Analyse ist die Einordnung des Arbeitsplatzes in eine von vier Gefährdungsstufen des Aachener Modells (siehe Abbildung). Jede Stufe definiert klare Verantwortlichkeiten und beschreibt, wie in bedrohlichen Situationen gehandelt werden soll. Zudem werden organisatorische und technische Maßnahmen festgelegt, die präventiv wirken sollen.

Mit diesem Modell können Unternehmen und Verwaltungen effektive Schritte unternehmen, um Bedrohungen zu minimieren und die Sicherheit ihrer Mitarbeitenden zu gewährleisten. Es ist ein bewährtes Werkzeug, um in kritischen Situationen angemessen zu reagieren und Gewaltausbrüche frühzeitig zu verhindern.

 

Gefahrenstufe 0
Gefahrenstufe 1
Gefahrenstufe 2
Gefahrenstufe 3

Ableiten geeigneter Präventionsmaßnahmen

Gewaltprävention erfordert vielseitige Ansätze, da die Ursachen für Gewalt am Arbeitsplatz oft komplex sind. Im Seminar wurden daher konkrete Lösungsmöglichkeiten und Maßnahmen für die verschiedenen Gefährdungsstufen des Aachener Modells vermittelt.

Vielfältige Präventionsansätze
Die Maßnahmen reichen von gefahrenbewusster Bürogestaltung über Stressbewältigungshilfen bis hin zur Installation von Alarmsystemen oder der Organisation psychologischer Notfallversorgung. Dabei ist es entscheidend, dass die Maßnahmen der unteren Gefährdungsstufen eine solide Grundlage bieten, auf der weiterführende Maßnahmen aufbauen können.

Im Seminar wurden zudem Fragen behandelt wie:

  • Wie kann der Arbeitgeber eine nachhaltige Gewaltpräventionskultur fördern, damit sich die Mitarbeitenden sicher fühlen?
  • Welche baulichen oder organisatorischen Mängel (z. B. überfüllte Wartebereiche, unklare Schreiben) könnten bei Kunden Aggressionen auslösen?

Praktische Tipps zur Deeskalation
Es ist entscheidend, bedrohliche Situationen frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu handeln. Achten Sie auf Ihr Bauchgefühl: Wenn Sie sich unwohl fühlen, erheben Sie sich und positionieren sich so, dass Ihr Gegenüber Ihre Unruhe bemerkt. Bleiben Sie dabei respektvoll und versuchen Sie, den Raum möglichst so zu gestalten, dass Sie jederzeit einen Rückzug antreten können. Beobachten Sie immer die Hände Ihres Gegenübers – je kleiner der Abstand, desto schwieriger ist es, einen körperlichen Angriff abzuwehren.

Vergessen Sie nicht: Ihre Sicherheit hat immer oberste Priorität!