Ämter sind gegen aggressive Besucher gerüstet

Was können Mitarbeiter von Ämter und Behörden tun, wenn Kunden renitent werden?


Von Stefanie Schmidt

Im März alarmierten Mitarbeiter des Geislinger Ordnungsamtes die Polizei. Ein Asylsuchender war auf der Behörde aggressiv geworden. „Es war kurz vor der Handgreiflichkeit“, sagt Ordnungsamtschef Philipp Theiner gegenüber der GZ. Seither gibt es Überlegungen, dort die Sicherheitsvorkehrungen zu verstärken. Schon vor dem Vorfall habe man über ein Alarmierungssystem nachgedacht, mit dem Mitarbeiter im Notfall signalisieren können, wenn sie Hilfe brauchen, erläutert Theiner. Nun soll es definitiv kommen. „Wir müssen aufrüsten“. In den letzten eineinhalb Jahren sei bei den Menschen die Hemmschwelle gesunken – sowohl auf der Straße als auch auf dem Amt, meint Theiner, der seit 2014 den Fachbereich „Bürgerservice“ leitet.

Gerade im Ordnungsamt könne man den Menschen mit ihren Anliegen nicht immer weiterhelfen. „Man muss häufig sagen: ‚Das geht aus folgenden Gründen nicht.’“ Natürlich versuche man, die Hintergründe plausibel zu erklären, teilweise glaubten die Menschen aber, sie seien durch das Internet genau über ihre Ansprüche und die Rechtslage informiert – was aber oft nicht zutreffe. Hinzu komme, dass die Leute oft in einer schwierigen Situation seien – zum Beispiel wenn es um Wohngeld, Aufenthaltsstatus oder Führerschein geht.

Fühlt sich ein Mitarbeiter des Ordnungsamts in einer Situation unsicher, gibt es bisher ein Verfahren über Telefon: Benutzt er in einem Gespräch ein bestimmtes Codewort, schaut ein Kollege nach dem Rechten. Für die Mitarbeiter im Gemeindevollzugsdienst gibt es Schulungen zu Deeskalation und Selbstverteidigung, damit sie in kritischen Situationen angemessen reagieren können. „Das gehört auch zum Arbeitsschutz“, betont Theiner.

Solche Kurse gibt es auch für Mitarbeiter des Landratsamts, informiert Pressesprecherin Julia Schmalenberger auf Nachfrage der GZ. Über die Telefonanlage sei außerdem ein Alarmierungssystem installiert. Seit Juni 2015 können Mitarbeiter in einer bedrohlichen Situation darüber hinaus über ein Taste am Computer vorher festgelegte Kollegen verständigen. Die Technik biete einen zusätzlichen Schutz, trotzdem seien die Mitarbeiter angehalten, ihren Arbeitsplatz so einzurichten, dass es im Notfall Rückzugsmöglichkeiten gibt. Vor Terminen mit „schwieriger Kundschaft“ sei es ratsam, sich im Vorfeld Unterstützung von Kollegen zu sichern.

In allen Bereichen des öffentlichen Lebens würden die Leute inzwischen überreagieren, meint Thekla Schlör, Leiterin der Agentur für Arbeit in Göppingen. Ihrer Beobachtung nach sei dies eine gesellschaftliche Entwicklung der vergangenen zehn Jahre. „Im Kleinen werden Grenzen überschritten, Konflikte nicht korrekt ausgetragen – das schleicht sich ein.“ Das Verhalten Einzelner werde auffälliger. Das bekämen teilweise auch ihre Mitarbeiter zu spüren.

Deshalb sei die Sicherheit der Mitarbeiter ein „Thema, das uns umtreibt, auch wenn es noch keine gravierenden Vorfälle gab.“ Pro Jahr gebe es ein bis zwei Fälle, bei denen Mitarbeiter angespuckt oder sogar körperlich angegangen würden. „Dafür gibt es bei uns absolut keine Toleranz“, betont Schlör. Deshalb haben solche Angriffe stets ein Hausverbot und eine Anzeige zur Folge. „Das sind wir unseren Mitarbeitern und den 99 Prozent unserer Kunden, die bei uns Unterstützung suchen, schuldig.“

Weit häufiger komme es allerdings vor, dass Kunden verbal aggressiv und beleidigend werden. „Da fallen Worte, die möchte man nicht wiederholen.“ Aber auch dabei handle es sich um Einzelpersonen. „Mit dem größten Teil unserer Kunden kann man vernünftig reden.“

In den Jobcentern, in denen unter anderem über Leistungen nach Hartz IV entschieden wird, komme es öfter zu spannungsreichen Situationen als in der Arbeitsagentur. Oft stünden die Kunden der Jobcenter unter großem Druck. Reicht das Geld für Lebensmittel bis zum Ende des Monats? Wie zahle ich meine Miete? Wenn dann auch noch Sanktionen drohten – dazu komme es in etwa vier Prozent der Fälle – steige dieser Druck weiter. In der Arbeitsagentur, wo es bei Terminen oft um konkrete Berufsberatung geht, stünden die Menschen weit weniger unter Spannung.

In diesem Zusammenhang kritisiert Schlör, wie in der Öffentlichkeit über Arbeitslosigkeit, Armut und Hartz IV diskutiert werde. Wer bei der guten Arbeitsmarktlage in Baden-Württemberg einen Job wolle, der finde auch einen, werde oft argumentiert. Oder dass man mit Hartz IV gut über die Runden komme. Arbeitslose Menschen fühlten sich dadurch ausgegrenzt. „Das macht was mit den Menschen“, meint Schlör. Auch wenn man über längere Zeit nicht an Aktivitäten teilhaben kann, die für die meisten Menschen ganz selbstverständlich sind, werde die Haut dünner.

Für die Mitarbeiter der Arbeitsagentur und der Jobcenter gibt es ebenfalls Deeskalationsschulungen. Ihre Büros richten sie in der Regel so ein, dass sie vor einem Randalierer flüchten können, ohne an ihm vorbei zu müssen. Sowohl in Göppingen als auch in Geislingen gibt es einen Sicherheitsdienst, der im Haus Präsenz zeigt. Eine eher präventive Maßnahme, betont Schlör. „Oft reicht es aus, wenn einfach jemand da ist. Das schafft Respekt.“ Wird es in einem Gespräch laut, kommt der Vertreter des Sicherheitsdienstes dazu. Über eine Tastenkombination am PC können die Mitarbeiter ihn herbeirufen. „Und falls es einen größeren Vorfall gibt, sind wir gut mit der Polizei verdrahtet.“


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