Behörden im Südwesten am Limit: Anstieg der Übergriffe auf Mitarbeiter

Behörden

Lange Wartezeiten und Schließungen von Ämtern aufgrund von Personalmangel sorgen für Unmut bei vielen Bürgerinnen und Bürgern. Eine Umfrage des SWR zeigt nun erstmals die Auswirkungen auf die Beschäftigten, die unter einem Anstieg von Übergriffen leiden.

In den Behörden von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind die Angestellten aufgrund von Personalmangel stark überlastet. Dies führt zu erheblichen Wartezeiten für die Bürger. Laut der SWR-Umfrage nehmen Übergriffe auf die Mitarbeiter zu, und die Entscheidungen der Behörden werden vermehrt hinterfragt.

Ein Beispiel aus Freiburg: Im Sommer 2023 drohte ein Mann im Bürgerbüro, „den Laden in die Luft zu sprengen“. Die Polizei musste einschreiten, um Schlimmeres zu verhindern. Solche Vorfälle sind inzwischen keine Seltenheit mehr.

Die Umfrage unter über 1.100 Mitarbeitenden von verschiedenen Ämtern wie Bürgerbüros, KfZ-Zulassungsstellen und Sozialämtern zeigt, dass rund 41 Prozent der Befragten mindestens einmal im Monat verbal oder körperlich angegriffen werden. Bei 16,5 Prozent passiert dies sogar wöchentlich.

Eva Thomann, Professorin für Verwaltungswissenschaft an der Universität Konstanz, äußert sich erschrocken über die Ergebnisse. Sie hat die Umfrage in Zusammenarbeit mit dem SWR erstellt.

Abnehmendes Vertrauen in Behörden

Eine alarmierende Zahl: 84 Prozent der Befragten berichten, dass Entscheidungen der Behörden häufiger in Frage gestellt werden. Für Thomann ist dies ein Zeichen dafür, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Verwaltung und den Staat schwindet.

Die Umfrage offenbart auch, dass viele Beschäftigte unter einem hohen Rückstau an unerledigten Aufgaben leiden – rund 60 Prozent beklagen diesen permanenten Rückstand. Die Arbeitsbelastung hat in den letzten fünf Jahren deutlich zugenommen; in Baden-Württemberg gaben 91 Prozent der Befragten an, dass ihre Belastung gestiegen sei.

Besonders betroffen sind die Ausländerbehörden und Jugendämter. So sorgte die Stuttgarter Ausländerbehörde im Herbst 2023 für Schlagzeilen, weil geflüchtete Menschen und Migranten stundenlang in langen Schlangen ausharren mussten. Diese Situation hat sich zwar verbessert, aber die Probleme im Fachkräftemangel bleiben. Laut der Umfrage sind fast alle Behörden in Baden-Württemberg davon betroffen.

Risiken durch Überlastung im Jugendamt

Im Jugendamt des Enzkreises sind derzeit 13 Prozent der Stellen unbesetzt. Diese Situation führt zu einer zusätzlichen Belastung für die Mitarbeiter, die oft über das Wohl von Kindern und Familien entscheiden müssen. Katja Kreeb, Dezernentin für Familie und Soziales, warnt, dass Überlastung zu schweren Konsequenzen führen kann, wenn wichtige Entscheidungen verpasst werden.

Herausforderungen durch Bürokratie

Die Umfrage zeigt, dass viele Ämter aufgrund zunehmender Bürokratie, neuer Aufgaben und mangelnder Digitalisierung am Limit sind. Obwohl die Probleme bereits seit Jahrzehnten bekannt sind, hat sich wenig geändert. Viele Ämter arbeiten weiterhin mit Papierakten, und der Umstieg auf digitale Prozesse gestaltet sich als langwierig und kostspielig.

Zudem sind viele digitale Angebote ineffektiv. So beklagt die Stuttgarter Baurechtsbehörde die schlechte Qualität der digitalen Plattform, was die Bearbeitung von Bauanträgen verzögert und den dringend benötigten Wohnungsbau behindert.

Wachsende Unzufriedenheit bei den Bürgern

Verena Walk, die mehrere Jahre im Bürgerbüro Stuttgart-Mitte tätig war, beobachtet, dass der Frust der Bürger über lange Wartezeiten wächst. Sie sieht auch die Ämter in der Verantwortung, notwendige Veränderungen vorzunehmen. Die Angst vor Fehlern führt oft dazu, dass Mitarbeitende lieber nichts unternehmen, was die Situation weiter verschärft.

Die Überlastung, Angriffe und der Frust führen dazu, dass viele Beschäftigte ihr Vertrauen in die Politik verloren haben. Laut der Umfrage glauben 76 Prozent der Mitarbeiter in Baden-Württemberg nicht mehr an die Unterstützung ihrer politischen Führung.

Verwaltungswissenschaftlerin Eva Thomann warnt, dass dieser Vertrauensverlust die Zusammenarbeit zwischen Politik und Verwaltung gefährden könnte, was sich negativ auf die öffentliche Wahrnehmung des Staates auswirken kann.

Sicherheitsmaßnahmen in Freiburg

Nach einem Vorfall im Bürgerbüro Freiburg, der mit einem Polizeieinsatz endete, wurden dort Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. Sicherheitskräfte patrouillieren nun im Amt, und die Mitarbeiter erhielten Schulungen. Amtsleiterin Christina Schoch betont, dass Sicherheit nicht auf Kosten des Bürgerservices gehen sollte. Ein System zur Überwachung der Kundenströme soll lange Wartezeiten vermeiden und die Zufriedenheit sowohl der Bürger als auch der Mitarbeiter fördern.

In einer Umfrage des Verbraucherschutzvereins Berlin/Brandenburg wurde das Freiburger Bürgeramt im letzten Jahr als eines der besten in Deutschland ausgezeichnet.

 

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